Aktuelle Suiziddaten 2022 im Überblick: Bedenklicher Anstieg der Suizide

Presseinformation

Kassel, 22. November 2023 - Das Nationale Suizidpräventionsprogramm (NaSPro) und die Deutsche
Akademie für Suizidprävention (DASP) haben heute eine Übersicht über die aktuellen Suizidzahlen
für das Jahr 2022 herausgegeben. Die Anzahl der Suizide ist um 9,8% (904 Fälle) auf 10.119
gestiegen. Damit liegt die Anzahl der Suizide erstmals seit 2015 wieder über 10.000.
Die am häufigsten gewählte Suizidmethode ist das Erhängen. 60% der Männer und 30% der Frauen
starben auf diese Art und Weise.
Assistierte Suizide werden in der Suizidstatistik nicht gesondert ausgewiesen. 2020 hatte das
Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für
verfassungswidrig erklärt. Offen ist, ob der Anstieg der Suizide durch Medikamente in den Jahren
2021 und 2022 gegenüber 2020 um 427 Fälle oder 42% auf 1.440 Fälle in Zusammenhang mit dem
assistierten Suizid steht.
Im Jahr 2022 hatte Sachsen (17,2) die höchste Suizidziffer und Bremen und NRW (9,0) die niedrigste.
Am stärksten gestiegen ist sie in Brandenburg und Hamburg (um jeweils 2,4). Nur in Thüringen (-2,5)
und im Saarland (-0,9) gab es einen Rückgang.
Bezüglich des Alters zeigt sich, dass fast drei Viertel aller Suizide (73,4%) auf über fünfzigjährige
Personen entfallen. Die Anzahl der Suizide bei jungen Menschen bleibt niedrig. Es gibt keinen
Hinweis auf vermehrte Suizide junger Menschen in Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie.


Was sagen die Expert:innen
“Eine wirkungsvolle Suizidprävention erfordert eine schnellere Verfügbarkeit der Suizidzahlen, als
bisher", fordert Prof. Dr. Barbara Schneider von der geschäftsführenden Leitung des NaSPro. Prof. Dr.
Reinhard Lindner, ebenfalls NaSPro-Leitung, weist darauf hin,”dass die Entwicklung des
Suizidgeschehens dringend eine umfangreiche finanzielle Förderung der Suizidprävention auch bei
einer schwierigen Haushaltslage erfordert.” Georg Fiedler, Geschäftsführer der Deutschen Akademie
für Suizidprävention, fordert angesichts der fehlenden Dokumentation assistierter Suizide “ein
verbindliches Register und eine zeitnahe Veröffentlichung der Fälle der Todesursache
Suizidassistenz”. Hannah Müller-Pein, Kommunikationsbeauftragte vom NaSPro stellt fest: “Noch
immer sterben in Deutschland deutlich mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle, Mord
und Totschlag, illegale Drogen und AIDS zusammen.”
Eine umfangreiche Übersicht finden Sie hier 


Die wichtigsten Daten im Überblick:
Die Anzahl der Suizide und die jeweilige Suizidrate sind immer das Ergebnis sehr unterschiedlicher,
gegenläufiger oder sich aufhebender Bedingungen. Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine
vorschnelle Interpretation der vorliegenden Daten. Dies ist erst nach einer genaueren
wissenschaftlichen Analyse möglich.
2022 gab es den höchsten prozentualen Anstieg der Anzahl der Suizide und der Suizidrate seit 1980
10.119 Menschen starben in Deutschland im Jahr 2022 durch Suizid. Weit über 100.000 Menschen
unternahmen im Jahr 2022 einen Suizidversuch. Mehr als 60.000 Menschen verloren im Jahr 2022
einen ihnen nahestehenden Menschen durch Suizid.
Im Jahr 2022 ist die Gesamtzahl der Suizide deutlich um 904 Fälle auf 10.119 gestiegen. Dieser
prozentuale Anstieg um 9,8% ist der stärkste in einem Jahr seit 1980. Der Anteil der Männer an
Suiziden beträgt mehr als 74 %. Der stärkste Rückgang der Suizidhäufigkeit war in den 1980er Jahren zu verzeichnen.
Vom Höchststand 1981 (18.825 Fälle) ging die Zahl der Suizide um 41% auf 11.065
Fälle im Jahr 2000 zurück. Bis zum Jahr 2021 ging die Zahl der Suizide um weitere 18% auf 9.215 Fälle
zurück. Deswegen ist der Anstieg im Jahr 2022 so bedenklich.
Die Entwicklung des Suizidgeschehens in Deutschland wird durch die Suizidziffer, d.h. die Anzahl der
Suizide pro 100.000 Einwohner und Einwohnerinnen, genauer erfasst. Dadurch wird der Einfluss der
unterschiedlichen Bevölkerungsgröße in den einzelnen Jahren berücksichtigt. Eine prozentuale
Veränderung der Anzahl der Suizide kann sich deswegen von der Veränderung der Suizidrate
unterscheiden. Gegenüber dem Vorjahr ist die Suizidrate im Jahr 2022 um 9,1% auf 12,1 gestiegen.
Bei den Frauen stieg die Suizidrate um 8,8% von 5,7 auf 6,2, bei den Männern um 9,6% von 16,6 auf
18,2. Die Auswertungen des Statistischen Bundesamtes sehen nur die Kategorien „männlich“ und
„weiblich“ vor, sodass keine Angaben zu Menschen gemacht werden können, die sich nicht dem
binären System zuordnen.


Sachsen hat die höchste Suizidrate in Deutschland
Zwischen den Bundesländern gibt es große Unterschiede im Suizidgeschehen.
Im Jahr 2022 hatten Sachsen (17,2) und Sachsen-Anhalt (16,3) die höchsten Suizidziffern. Am
stärksten gestiegen ist sie in Brandenburg und Hamburg (um jeweils 2,4). Bremen (9,0) und NRW
(9,0) haben die niedrigste Suizidziffer. Nur in Thüringen (-2,5) und im Saarland (-0,9) gab es einen
Rückgang der Suizidziffer. Sachsen hat die höchste Suizidziffer bei Frauen (9,0) und Sachsen-Anhalt
bei Männern (26,5). Die niedrigste Suizidziffer hat Bremen bei Frauen (4,1) und Nordrhein-Westfalen
bei Männern (10,8).


73,4% der Suizide entfallen auf die Altersgruppe der über 50-Jährigen
In absoluten Zahlen übersteigt im Jahr 2022 die Anzahl der Suizide von Männern in allen
Altersgruppen die Anzahl der Suizide von Frauen deutlich. 74,2% aller Suizide im Jahr 2022 entfallen
auf Männer (7.504) und 25,8% auf Frauen (2.615). Die deutliche Mehrheit der Suizide entfällt auf die
Altersgruppe der über 50-Jährigen (73,4%, 7.430 Fälle). Im Vergleich zum Vorjahr gibt es einen
leichten Rückgang der Suizide bei den 5- bis 24-Jährigen. In allen anderen Altersgruppen steigen die
Suizidraten an. (25-44: 5,2%; 45-64: 8,3%; über 64: 13,1%).
Der Suizid ist zunehmend ein Phänomen des höheren Lebensalters. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist
der Anteil der Männer im Alter von 60 Jahren und älter an den Männersuiziden stark angestiegen
(von 35,5% auf 53,2%). Bei den Frauen lag der vergleichbare Anteil schon seit 2000 höher. Im Jahr
2022 betrug das durchschnittliche Alter eines durch Suizid Verstorbenen 60,7 Jahre. Gegenüber dem
Vorjahr ist es um genau ein Lebensjahr gestiegen. Im Jahr 2000 lag es noch bei 53,9 Jahren. Der
Anstieg des durchschnittlichen Sterbealters ist seit 2000 vor allem auf die Entwicklung bei den
Männern zurückzuführen.


Keine “Corona-Suizide” bei jungen Menschen unter 30
Beim Vergleich der absoluten Zahlen mit dem Vorjahr (2021) fällt auf, dass es bei den jüngeren
Menschen (15 bis 19 und 25 bis 29 Jahre) einen leichten Anstieg gegeben hat und bei den 10 bis
14 und den 20 bis unter 24-jährigen einen leichten Rückgang. Bei den kleinen Fallzahlen in den
jungen Altersgruppen können diese Veränderungen in der normalen Schwankungsbreite liegen. In
allen Altersgruppen gibt es einen deutlichen Rückgang der Anzahl der Suizide im Vergleich zum Jahr
2000. Der Vergleich der Suizidraten mit dem Vorjahr (2021) ergibt ein ähnliches Bild. Die Suizidrate
ist seit 2020 bei den unter 30jährigen generell gesunken.
Die vorliegenden Daten geben keinen Hinweis auf einen bedeutsamen Einfluss der Covid-19
Pandemie auf die Suizidhäufigkeit junger Menschen.

Die häufigste Suizidmethode ist das Erhängen
Bei den Suizidmethoden dominierte 2022 das Erhängen (4.531) deutlich. Es folgten mit 1.440 Fällen
Intoxikation durch Medikamente, sonstige Methoden, (1.413), Sturz (941), Schusswaffen (759, fast
ausschließlich Männer) und das „sich vor ein bewegendes Objekt legen“ (468). Danach folgen Gase
(321), Ertrinken (214) und Suizid durch Rauch/ Feuer (31). Nach wie vor ist Erhängen die mit Abstand
häufigste Suizidmethode in Deutschland. 60% der Männer und 30% der Frauen wählen diese
Todesart. Auffällig ist die hohe Anzahl (482) der unklaren Todesursachen.


Wo verstecken sich die assistierten Suizide?
Assistierte Suizide werden vom Statistischen Bundesamt nicht gesondert ausgewiesen. Es ist nicht
dokumentiert, in welcher Art und Weise sie in der Todesursachenstatistik genannt werden.
Deswegen können hier nur Vermutungen angestellt werden. In der Regel dürften bei assistierten
Suiziden Medikamente eingesetzt werden. Auffällig ist daher der Anstieg der Suizide durch
Medikamente seit 2020 um 42% von 1.013 auf 1.440 Fälle. Der Anstieg lässt sich überwiegend auf die
„Vorsätzliche Selbstvergiftung durch und Exposition gegenüber sonstige(n) und nicht näher
bezeichnete(n) Arzneimittel(n), Drogen und biologisch aktive(n) Substanzen“ zurückführen. Es ist zu
klären, ob und in welchem Umfang sich ein Teil der assistierten Suizide hinter diesem Anstieg
verbergen können. Auch hinter weiteren Todesursachen sowie in den unklaren Todesursachen
können sich assistierte Suizide verstecken.
*Alle Angaben im Text beruhen auf der von Statistischen Bundesamt am 15. November 2023
herausgegebenen Todesursachenstatistik: https://www.gbe-bund.de/gbe//k?k=NE3392


Verfassung der Übersicht von Karolin Wache, Hannah Müller-Pein und Georg Fiedler.

Kontakt für Medienschaffende:
Nationales Suizidpräventionsprogramm für Deutschland
Hannah Müller-Pein
presse@naspro.de
www.suizidpraevention.de/medienportal

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